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11 März

01.03.11  




Obwohl ihn sein Volk liebt, tritt Verteidigungsminister zu Guttenberg zurück.

Gaddafi will es ihm nicht nachmachen, weil ihn sein Volk liebt.

02.03.11   Der Weltvertrieb hat für "DAS ROTE ZIMMER" ein neues Plakat machen lassen.

03.03.11   Gestern habe ich gut eineinhalb Stunden Gaddafis dreistündige Rede an sein Volk geschaut. Und auf einem anderen Monitor die Tweets parallel dazu. Das war so spannend, dass ich fast meinen Zahnarzttermin vergessen habe. Hier die Fotos dazu auf Al Jazeera-Online.

Er kann nicht zurücktreten, weil er weder Präsident noch sonstwas ist, denn in Libyen regiert das Volk. Geld hat er auch keins, sein "Gehalt" ist so um die 400 Euro.

Die Zuhörer seiner Rede (die Kamera schwenkt immer wieder über sie) klatschen zwar gelegentlich, sehen aber meistens desinterisiert aus. Junge Leute sind nirgendwo zu sehen.

Al Jazeera splittet das Bild. Sie zeigen auf der linken Seite Gaddafi und seine Rede und auf der rechten Seite die Demonstranten in Bengasi, die seine Rede auch verfolgen und auf ihren Plakaten sagen, dass er lügt. Ich hasse Splitscreens im Kino, aber hier ist das absolut genial.
Heute habe ich den ganzen Tag telefoniert. Die RED ONE von Hartmut Mausolf hat inzwischen den allerneusten Mysterium-Chip und ich reserviere die Kamera für die Drehzeit von "INS BLAUE". Mit Michael Weber von THE POST PEPUBLIC bespreche ich den Ablauf der Post-Produktion und versuche zu klären, warum 35mm-Filmkopien von digitalen Filmen in einem Kino schlecht (unscharf und milchig) aussehen und in anderen nicht. Er sagt, dass es an den Projektorlampen liegt. Wenn die ein paar tausend Stunden gelaufen sind und nicht ausgetauscht werden, ist das dann so.
04.03.11  

In diesem Gebäude, in dem von 1956 - 1974 das Kino Maxim war, ist aus dem früheren Kinosaal mit 850 Plätzen ein Aldi-Supermarkt geworden. Im Vorderhaus wurde mir heute morgen mein letzter Weisheitszahn gezogen.
06.03.11   Ich schaue deutsche Filme für den Deutschen Filmpreis und immer wieder Al Jazeera und Twitter. Beides ist ziemlich frustrierend. Bei Twitter lese ich: "Won't be surprised if #Libya state TV says that Gaddafi has now liberated Palestine, reached the moon, cured cancer, and contacted aliens." Im libyschen Staatsfernsehen hat Gaddafi alle Städte, die er an die Revolution verloren hat, zurückgewonnen.
07.03.11   Am Morgen entdecke ich über Twitter ein Video von verletzten libyschen Revolutionären über Twitter auf YouTube, das ich nach der Hälfte wieder ausschalten muss. Es ist zu schlimm.
Danach werfe ich meine Wahlentscheidung für den Deutschen Filmpreis in den Briefkasten, obwohl ich so gut wie sicher bin, dass es sinnlos ist. Auf dem Weg dahin wird mir zum erstenmal richtig klar, was auf der Straße gegenüber im Laufe der nächsten beiden Jahre entstehen wird. Auf dem Gelände waren vorher Auto-Reparaturwerkstätten und Kleingärten - auch der Kleingarten, in dem Hannelore Elsner in "DU HAST GESAGT, DASS DU MICH LIEBST" ein Feuer macht und blühende Tulpen für das Grab ihrer Mutter abschneidet. Heute sieht das riesige Gelände so aus:

Gestern hatte ich mit Reinhild Blaschke über das Szenenbild von "INS BLAUE" gesprochen. Wir sind uns einig geworden, dass sie das wieder macht. Unser Hauptproblem, meint Reinhild, ist es, ein Haus am Meer zu finden. Ich denke, dass das nicht so schwierig ist. Schwieriger könnte es für mich sein, eine Höhle am Meer zu finden, in der ich im August in den frühen siebziger Jahren Musils "Mann ohne Eigenschaften" gelesen habe, weil es in der Mittagszeit draußen zu heiß war und ich, statt im Hotel nachts im Auto am Strand geschlafen habe. Ich glaube, es war 1972, ein Jahr bevor ich nach Berlin gezogen bin. In Rom hatte ich mit Edda Köchl in einer Mischvorführung Straubs "Geschichtsunterricht" gesehen, und Straub hat von der Landschaft der Basilicata geschwärmt und von vier Flüssen, die da ins Meer gehen. Also bin ich da hingefahren. Acht Jahre später habe ich da am Strand die Italienszene von "BERLIN CHAMISSOPLATZ" gedreht.

Mit Nicoletta Drossa spreche ich fast drei Stunden über "INS BLAUE". Wir werden uns einig, dass sie wie schon bei "DAS ROTE ZIMMER" die Produktionsleitung machen wird. Sie freut sich, und ich freue mich darüber. Wir gehen bei vielen Dingen schon ins Detail. Dafür hat sie ihren Computer und einen Taschenrechner mitgebracht. Sie hat schon eine Aufstellung gemacht für ein Mini-Drehteam mit 13 (!!!) Teammitgliedern. Viele Leute, die auch ich gerne dabei hätte, fallen da weg. Andere, die dabei sind, müssen mehrere Funktionen übernehmen. Mit ihrer Hilfe, das wird mir sofort klar, schaffen wir es, auch diesen Film mit unserem Budget von 500.000 € hinzukriegen. Wir beide wissen, dass das ein produktionstechnisches Kunststück werden wird. Aber sie glaubt, dass ich das schaffe und ich glaube nicht nur, sondern weiß, dass sie das schaffen wird. Wir haben den Drehbeginn auf Mittwoch, den 7. September festgelegt.
08.03.11   Heute eine Wurzelbehandlung meines Zahns, der schon seit zehn Tagen in meinem Mund eine Revolution auslöst, setzt mich nachdem der Schmerz vergangen ist, komplett schachmatt. Ich muss ununterbrochen niesen und meine Nase läuft. Ich werde Serpil Turhans Film „Herr Berner und die Wolokolamsker Chaussee“ heute Abend vermutlich nicht sehen können.
Eine Nachricht auf Twitter über Libyen gefällt mir: Al-Hurra just reported that Gadaffi's wife Safiya has officially left him because she disagrees with the killing that is going on. Und das heute am Weltfrauentag.
09.03.11  
Daniel Cohn-Bendits Rede vor dem europäischen Parlament auf YouTube. Eine Reporterin von Time beschreibt ihre Eindrücke aus Tripolis (LINK) vom 8. März, wo Gaddafi vor hundert stundenlang wartenden Reportern eine Ansprache halten sollte, dann aber nichts gesagt hat. Dieser Satz hat mir ganz besonders gefallen: "Just below the surface, there are signs everywhere that this is a city frozen in time."

Dieses Video ist verstörend. Es zeigt nicht die Toten, deren Zahl ja immer gemeldet wird, sondern die Verletzten und ihre Wunden. In Ras Lanuf lässt Gaddhafi inzwischen auch seine Öl-Industrie bombardieren. Er scheint nicht mehr damit zu rechnen, dass er überleben kann und dann alles wieder neu aufbauen muss.

Brennende Ölquellen in Ras Lanuf.

Aus einem TV-Interview von heute Nacht wo Gaddafi sagt, dass er sich auch mit Osama Bin Laden verbünden könne.
Während ich das ins Internet stelle, kommt auf meinem Fax der Vertrag mit der Degeto für "INS BLAUE". Das beruhigt mich, denn wir haben mit den Vorbereitungen für die Produktion schon seit ein paar Tagen angefangen, und ich habe wichtige Leute meines Filmteams schon engagiert.
Für meine Blog-Leser muss ich erklären, warum ich alles, was in Ägypten und Libyen passiert, hier in mein Blog stelle. Ich plane für 2012 einen Film in Ägypten zu drehen. Mit Sicherheit wird das kein Film über die Revolution, sondern wie immer ein "Thomefilm" sein - was auch immer das ist. Aber ich kann das nicht wie ein unschuldiges, von nichts eine Ahnung habendes Baby machen. Das, was da jetzt passiert, muss als Hintergrund spürbar sein. Ich bin mir sicher, dass, wenn ich das Drehbuch schreibe (vielleicht im Frühling 2012), mein Unterbewusstsein so wie bisher beim Drehbuchschreiben funktioniert. Ob gefährdete Teile meines Körpers bis dahin auch mitmachen, weiß ich nicht. Man kann ja auch einen Film ohne Zähne drehen.
10.03.11  

Arthaus/Kinowelt teilt mir mit, dass die DVD's von "BERLIN CHAMISSOPLATZ" (1980), "TAROT" (1985), "DER PHILOSOPH" (1988) und "DU HAST GESAGT, DASS DU MICH LIEBST" (2005) am 21. 7. 2011 erscheinen werden.

11.03.11  

Am 22. 03. um 23.45 zeigt der BR "SYSTEM OHNE SCHATTEN" zu Ehren des 70. Geburtstags von Bruno Ganz. Manche TV-Zeitschriften zu Ehren meines 70. Geburtstags. Der ist schon lange vorbei. Leider.

13.03.11  

Gestern ist es draußen Frühling geworden. Ich schneide die Rose in meinem Vorgarten und befreie die Hecke drumrum von Unkrautranken. Dann schaue ich fern und sehe, was in Japan in diesem Moment passiert:



Gaddafi bringt mit Panzern und Flugzeugen eine Stadt nach der anderen wieder in seine Gewalt.

Angela Merkel ist am Abend voller Mitgefühl, denkt aber vor allem an die Wahlen in Baden-Württemberg.
Im "Tagesspiegel" finde ich dann auch noch die Nachricht "Tom Tykwers Drei ist mit sechs Nominierungen Favorit für den Deutschen Filmpreis."
Morgen wandere ich aus auf meinen Bauernhof. Wenn das, was in der Welt passiert, besonders schlimm wird, grabe ich ein Beet um oder pflanze einen Baum. Hier in Kreuzberg, auf der anderen Straßenseite, ist eine 2 ha große Wüste entstanden.



Die Überbleibsel von Kleingärten.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Kleingarten hinter dieser Mauer überleben wird. Die deutsche Fahne erinnert mich an die Fahnen der Revolutionäre in Libyen.

Die Häuser des dritten Hinterhofs der Fidicinstraße, zum Teil schon mit ausgebautem Dachgeschoss. Das Dachgeschoss "meines" Hauses hätte ich vor 20 Jahren im Erbbaurecht für 99 Jahre haben können, aber meine damalige Frau war dagegegen.

So sehen die Entwürfe der Architekten für die mir gegenüberliegende Straßenseite vor. Die Bilder hab ich im Internet gefunden. Vielleicht kann ich da wenigstens eine Garage für mein Auto mieten.

14.03.11   Ein Bericht in der New York Times (LINK) scheint mir die Situation in den japanischen AKW's klarer zu beschreiben als das bis jetzt im Fernsehen und in den deutschen Zeitungen geschieht. Interessant ist auch ein Hinweis, dass sowohl in Deutschland wie in Frankreich Brennstäbe, in denen Plutonium enthalten ist, benutzt werden. Davon hat hier noch keiner was gesagt. Heute Abend erfahren wir im ARD-Brennpunkt darüber hoffentlich mehr. Ich werde ja nicht der Einzige sein, der in Deutschland die NYT liest?
Am Morgen bin ich beim besten HNO-Arzt in Berlin, eigentlich gar nicht wegen meiner kaputten Stimme, sondern weil mein Hals seit fast vier Monaten beim Schlucken weh tut. Er macht eine Laryngoskopie und findet nichts Ungewöhnliches., macht mir sogar Komplimente, wie gut ich mit meinem gelähmten Stimmband umgehen kann. Er empfiehlt mir eine Operation, bei der körpereigenes Fett (in meinem Bauch gibt es inzwischen wieder ziemlich viel davon) in das gelähmte Stimmband gespritzt wird. Das könne dann sogar eine dauerhafte Lösung sein. Er macht mir dann auch gleich eine Überweisung für den besten Phonochirurgen in Berlin. Mein Gott, ich stelle mir vor, wie es wäre, wenn ich beim Drehen von "INS BLAUE" wieder mein Filmteam - ohne Vuvuzela - am Set zusammenrufen könnte. Diese Möglichkeit ist sehr verführerisch.
Danach fahre ich auf den Bauernhof und muss die ganze Zeit darüber nachdenken.

Der Dorfteich ist wieder völlig eisfrei.

Damit es in meinem Arbeitszimmer schnell wieder warm wird, mache ich im Kaminofen ein Feuer, muss aber dabei an das atomare Feuer in Japan denken. Als ich siebzehn, achtzehn Jahre alt war, wusste ich alles, was man damals wissen konnte, über Kernspaltung und Kernfusion, und wollte Atomphysiker werden. Mir war auch damals klar, dass Kernspaltung (AKW und Atombombe) keine Lösung ist, sondern dass die Menschheit die Kernfusion (das was in der Sonne und in der Wasserstoffbombe passiert) irgendwie hinkriegen müssen. Die kontrollierte Kernfusion, die alle Energieprobleme auf unserem Planeten lösen könnte, ist - sechzig Jahre später - noch immer ein Traum. Dafür braucht man kein Uran, sondern nur Wasser, und es entstehen auch keine radioaktiven Abfallprodukte, die man entsorgen muss. Da ich einen Super-Deutschlehrer hatte und eine tolle Freundin, habe ich mich im Abiturjahr nicht mehr für Atomphysik interessiert, sondern einen Roman geschrieben. Vom Romanschreiben bin ich drei oder vier Jahre später wieder abgekommen und habe angefangen, von Filmen zu träumen. Das habe ich dann, zunächst als Filmkritiker, kurze Zeit später dann auch gemacht.
15.03.11   Auf Twitter schreibt einer heute: "The world is sending the Libyans a message that they are not yet being killed in sufficient quantities to justify an intervention." Ein anderer schreibt: "A no fly zone has been established in 30 km radius over Fukushima plant. WHERE THE F IS THE NO FLY ZONE FOR #LIBYA!" Was ist schlimmer: die explodierenden AKW's in Japan und ihre radioaktive Strahlung oder Gaddafi und die Bomben auf sein ungehorsames libysches Volk?
Ich versuche auf diesem aus den Fugen geratenen Planeten auf schönere Gedanken zu kommen und stelle mir vor, es sei schon Frühling, stelle die Oleandersträucher und Yuccapflanzen in den Hof.









16.03.11  

Arthaus/Kinowelt wollen für die DVD's im Juli jede Menge Sachen von mir, unter anderem die Vorlage für das Kinoplakat von "BERLIN CHAMISSOPLATZ". Zwischendurch schaue ich die "Regierungserklärung" von unserem Weltminister Westerwelle "zum Umbruch in der arabischen Welt".

Man möge mir meinen extrem subjektiven Standpunkt nachsehen: lieber 10 Guttenbergs als 1 Westerwelle.
Danach suche ich weiter in diversen Umzugskartons und finde die DVD eines Interview, das Anke Sterneborg mit Hannelore Elsner und mir für den Kinostart von "DU HAST GESAGT, DASS DU MICH LIEBST" 2005 gemacht haben (LINK zum transskribierten Interview). Ich denke, dass es schön wäre, wenn dieses Interview auf der DVD mit drauf wäre. Am besten wäre eine Doppel-DVD wie bei "DETEKTIVE":



17.03.11  

Draußen regnet es. Es ist Mittag und ich habe noch nicht mal die Zeitung gelesen, da ich an drei Fronten wissen will, was passiert: Japan, Libyen, Deutschland.
In der New York Times finde ich einen sehr interessanten Artikel über Gaddafi (LINK). Jetzt verstehe ich, warum er immer so komische Sachen trägt und auch, warum er in einem Beduinenzelt wohnt. Aber auch sonst einiges. Der Titel des Textes von Ali Abdullatif Ahmida heißt: "Why Qaddafi Has Already Lost".
Auch interessant ist, ebenfalls in der New York Times, was ein von Gaddafi nach Tripolis eingeladener Journalist, berichtet (LNK). Sein Fazit ist: er lebe in einem Fünf-Sterne-Gefängnis.
Und dann kommt sowohl auf ARD, ZDF und Phönix die "Regierungserklärung" von Angela Merkel zum "Atom-Moratorium".

Die Süddeutsche Zeitung nennt das, was sie sagt, einen "ziemlichen Eiertanz". Was SPD-Sigmar Gabriel sagt, gefällt mir, weil er redet von konkreten Dingen (ich vermeide bewusst das verseuchte Wort "Fakten"). Bei CDU-Volker Kauder passiert das Gegenteil.

Er redet so viele schöne, darunter auch glatt gelogene, Allgemeinheiten, dass man keinerlei Orientierung mehr hat. Er selbst und die CDU denken sicher, dass er ein guter Redner ist.
Heute morgen ist übrigens ein Brief von Wissenschaftlern aus der ganzen Welt an Barack Obama in meiner email-Post gelandet. Darin wird die Rede, die er in Ägypten gehalten hat, zitiert: "I do have an unyielding belief that all people yearn for certain things: the ability to speak your mind and have a say in how you are governed, confidence in the rule of law and the equal administration of justice, government that is transparent and doesn't steal from the people, the freedom to live as you choose. These are not just American ideas. They are human rights. And that is why we will support them everywhere."
Heute Nacht wird der Sicherheitsrat in New York über Maßnahmen gegen Gaddafi abstimmen. Ich denke mal, dass Weltminister Westerwelle so schnell nicht dahinfliegen kann, denn ich hab ihn heute morgen noch im Bundestag neben Angela Merkel sitzen gesehen.

18.03.11

  Gestern abend um 19.40 Uhr sagt Gaddafi über Rundfunk und Fernsehen zu den Bewohnern von Bengasi LINK zur Transskripion im Blog von Al Jazeera), dass sie morgen abend frei sein werden. Der portugiesischen TV-Station RTP gibt er am Abend ein Interview: "The Security Council has not got the right to interfere in the internal affairs of any state. It would be a flagrant colonisation, without any justification. A serious and grave [inaudible]. This is craziness, madness, arrogance. If the world gets crazy with us, we will get crazy too..."
Vier Stunden später beschließt der Sicherheitsrat eine Flugverbotszone über Libyen.
Die Schlagzeilen der englischen Tageszeitungen von heute:
• The Guardian: Britain, France and US line up for air strikes against Gaddafi
• The Sun: War on Gaddafi
• Financial Times: US joins push for UN action on Libya
• The Times: US set to lead allied attack on Gaddafi
• The Independent: Gaddafi: now it's a fight to the death
Gerd Appenzeller, einer der Herausgeber des"Tagesspiegel" (LINK) schreibt, was er vom Verhalten des deutschen Außenministers Westerwelle hält.
Die Süddeutsche Zeitung kommentiert ebenfalls Westerwelle: "In Gesellschaft mit China und Russland dem libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi einen politischen Triumph zu gönnen, wird als ein Tiefpunkt deutscher Staatskunst in die Geschichte eingehen. Das großartig angekündigte Jahr der deutschen Beteiligung im Sicherheitsrat beginnt für den Außenminister mit einer bitteren Blamage."
Das Regime in Libyen erklärt einen sofortigen Waffenstillstand und die Einstellung aller militärischer Aktion, denkt aber nicht im Traum daran, sich daran zu halten. Die Stadt Misurata wird weiter bombardiert und beschossen (das sagen zahlreiche Tweets).
19.03.11   Heute ist Vollmond. Es sieht so aus, als würde sich hier in Deutschland das Wetter ändern. Auch in Libyen? Twitter-Humor von gestern abend: #Gaddafi: "Did i say cease fire? No no my accent is har-red to underrstand. I said "See Us Fire"" - und heute morgen, schreiben zahllose Tweeds, dass jetzt auch Bengasi bombardiert wird. Ich kann's kaum glauben.
Die Süddeutsche Zeitung beschreibt, Westerwelles Aktionen (LINK): "Kurz nach neun Uhr am Freitagmorgen steht ein übermüdeter Außenminister im Auswärtigen Amt. Die Nacht war kurz, bis zuletzt gab es Telefonate auf allen Ebenen mit dem Ziel, genügend Mitglieder des Sicherheitsrates zur Enthaltung zu bewegen, um einen Militäreinsatz gegen Libyen zu verhindern. Nun muss Guido Westerwelle die Frage beantworten, ob er sich international und innerhalb der EU isoliert habe. „Wir haben uns enthalten“, sagt er und fügt hinzu, „gemeinsam mit so bedeutenden Ländern und auch Partnern wie Brasilien, wie Indien, wie Russland und auch China“, was freilich auch hieß, dass er sich damit gegen die bislang bedeutenderen Partner Amerika, Großbritannien, Frankreich und auch Portugal stellt."
Ein Hintergrundbericht auf www.politico.com beschreibt (LINK), dass Hillary Clinton per Telefon dafür gekämpft hat, dass der Sicherheitsrat die No-Fly-Zone beschlossen hat. Es war also ein direktes Duell zwischen Hillary Clinton und Westerwelle. (Ob der das weiß?)
Aus dem Al Jazeera-Blog: "Libya's government says that its armed forces are under attack west of the rebel-held stronghold of Benghazi and have responded in self-defence." Wer soll das glauben.

Spiegel-Online kommentiert Obamas Ansprache (LINK): "Es ist ein neuer Ton. Undenkbar, als er noch Kandidat war, der Kandidat des Friedens, der die Kriege seines Vorgängers ablehnte, mit ihnen so wenig wie möglich zu tun haben wollte. Doch nun ist er selbst Präsident. Und auf einmal ist er auch Feldherr - seines ersten eigenen Kriegs."
Während Gaddafis Truppen in Bengasi einmarschieren, schauen die Staaten, die das verhindern wollen, untätig zu. Sie wollen in Paris erstmal miteinander reden. Um 15.30 Uhr ist eine gemeinsame Erklärung vorgesehen. Vielleicht ist Bengasi dann schon ganz in Gaddafis Hand, und sie müssen gar nichts mehr tun. War das Gaddafis Plan, als er gestern plötzlich den Waffenstillstand verkündete? Kann sich die gesamte übrige Welt von einem einzelnen Diktator eines Mini-Staats mit 5 Millionen Einwohnern, deren Mehrheit ihn bis aufs Blut hasst, so aufs Kreuz legen lassen?
Spiegel-Online gibt einen offenen Brief wieder, den ein Sprecher Gaddafis auf Al Jazeera verlesen hat: "Die Äußerungen von Muammar al-Gaddafi werden immer seltsamer. In einem Brief an Barack Obama nannte er den US-Präsidenten seinen "Sohn". "Selbst wenn Libyen und die USA - Gott verbiete es - in den Krieg miteinander treten, wirst Du für immer mein Sohn bleiben", so das Schreiben. Darin versteifte er sich auf die Behauptung, in Libyen nicht Gegner seiner Diktatur, sondern das ganz Nordafrika umspannende Terrornetz al-Qaida zu bekämpfen. "Was würdest Du tun, wenn Du sie in bewaffneter Kontrolle über amerikanische Städte vorfändest? Wie würdest Du Dich verhalten, damit ich Deinem Beispiel folgen kann?", schloss der Brief an Obama."
Um 12.30 Uhr, also jetzt, treffen sich Sarkozy, Cameron und Hillary Clinton zu einem Vorgespräch vor dem Gipfel in Paris. Angela Merkel ist nicht dabei. Und Westerwelle schon gar nicht. Ein Tweed dazu: "US Secretary of State, British PM and French President #NFZ means no fly zone not talk a lot zone. #Libya Civilians are dying, do you care?"

Zwischendurch wasche ich Wäsche und hänge sie, da die Sonne scheint, zum Trocknen auf.

Sarkozy verkündet mit ernster Miene kurz vor vier Uhr, dass man beschlossen hat, mit der Einrichtung einer No-Flight-Zone über Libyen zu beginnen, und dass französische Kampfjets bereits über Libyen fliegen.

Spiegel-Online reagiert mit diesem martialischen Bild. Ich muss unbedingt etwas essen. Damit ich alles mitbekomme, schließe ich einen zweiten Monitor an meinen Laptop an.

Am Abend schlafe ich vor dem Fernseher ein und sehe beim Aufwachen gegen 22 Uhr, was passiert ist. Mit einer derart schnellen Reaktion hat Gaddafi sicher nicht gerechnet.

Pressekonferenz in Washington.

Kurz danach Pressekonferenz in Tripolis.

Obama, aus Brasilien, kommentiert seine Entscheidung: “I am deeply aware of the risks of any military action, no matter what limits we place on it,” he said. “I want the American people to know that the use of force is not our first choice, and it’s not a choice that I make lightly. But we can’t stand idly by when a tyrant tells his people that there will be no mercy.”

Und über dem Dorfteich strahlt der Vollmond besonders hell, weil er seine erdnächste Position erreicht hat.

20.03.11   Heute ist Frühlingsanfang. Die Krokusse in meinem Garten sind pünktlich mit geöffneten Blüten da. Das gefällt mir.

21.03.11   Morgen um 23.25 zeigt BR3 meinen Film "SYSTEM OHNE SCHATTEN" 1982/1983 (LINK) mit Bruno Ganz, Hanns Zischler und Dominique Laffin. Bruno Ganz feiert seinen 70. Geburtstag. Dominique Laffin ist ein Jahr später gestorben, der Kameramann Martin Schäfer fünf Jahre später, 1988. Ich trauere ihm noch immer nach.
22.03.11  
23.03.11  

Baustelle gegenüber von mir in Berlin from Rudolf Thome on Vimeo.
Der Film ist leider nicht mit dem Fotoapparat aufgenommen, den ich auf dem Bauernhof vorgestern mit einem externen Mikrofon benutzt habe. Da hatte ich einen Windschutz. Hier leider gar nichts. Immerhin habe ich heute gelernt, wie ich drei Einstellungen ineinander überblenden kann. Ich muss mir von meiner Cutterin Beatrice Babin unbedingt zeigen lassen, wie so was ein bisschen eleganter geht.
Die deprimierenden Nachrichten aus der Welt nehmen leider nicht ab.

24.03.11  

Gestern war ein schwieriger Tag für mich. Vor allem gesundheitlich. Dann lese ich, dass Liz Taylor gestorben ist. Mit 78 Jahren. Am Abend entdecke ich, dass Al Jazeera auf Arabisch ganz andere Sachen sendet als auf Englisch. Im arabischen Kanal verfolge ich eine Pressekonferenz der libyschen Übergangsregierung (TNC) von Mahmoud Jibril, der jetzt deren Ministerpäsident ist. Alles was er sagt, wird ins Englische übersetzt.

Spät in der Nacht wache ich auf, und sehe, dass die ARD ihr Programm geändert hat. Sie zeigen - weil Liz Taylor gestorben ist - "…die alles begehren" von Vincente Minelli. Ich fange an, ihn mir neugierig anzuschauen, denn ich bin mir so gut wie sicher, dass ich darüber mal eine Filmkritik geschrieben habe, und bleibe dabei bis zum Ende gegen 3 Uhr morgens. Ich sag's mal kurz, es geht um einen Mann, der seine Frau betrügt. Nicht um irgendeinen Scheißkerl der das tut, der Mann ist ein idealistischer Pfarrer. Der aufregendste Satz im Film ist, dass er seiner Frau gegen Ende, nachdem er ihr alles gestanden hat, sagt, dass er beide liebt. Es gibt so gut wie keine Nahaufnahmen, fast alles wird in Totalen oder Halbtotalen erzählt - immerhin sind die beiden Hauptdarsteller Liz Taylor und Richard Burton.
Ich suche und finde die Kritik, die ich am 28.!2.1965 in der Süddeutschen Zeitung geschrieben habe:
"Minelli erzählt eine einfache Dreiecksgeschichte. Edward Hewitt, der ein exklusives Internat an der kalifornischen Küste leitet, ist seit zwanzig Jahren glücklich mit seiner Frau verheiratet. Doch eines Tages begegnet er der Frau, von der er früher wohl geträumt hat, an deren Existenz er nun aber schon lange nicht mehr glaubt, einer Frau, die alle Vorzüge, die ein Mensch nur haben kann, in sich vereint: Schönheit, Intelligenz, Vitalität. Laura Reynolds, die Mutter eines neuen Schülers, ist Malerin und unverheiratet. Hewitt betrachtet sie zunächst wie ein Wesen aus einer anderen Welt. Er ist fasziniert. Allmählich versucht er sie dann zu verstehen, sie näher kennenzulernen (unter dem Vorwand, ihrem Sohn dadurch besser helfen zu können). Er liebt sie, ohne es zu wissen. Und als er sich selbst und ihr seine Liebe eingesteht, kennt er keine Rücksicht mehr, weder auf seine Frau noch auf seine Stellung als Leiter eines Internats. Schließlich weiß er keinen Ausweg mehr, als seiner Frau alles zu gestehen. Es kommt zum Bruch. Er zieht die Konsequenzen und fährt allein - ohne seine Frau und ohne Laura - in einen Urlaub, von dem er nicht zurückkommen wird.
Jede Person des Films lebt. Jede ihrer Reaktionen ist von einer Vielschichtigkeit, wie man sie nur selten im Film erlebt. "…die alles begehren" zeigt, was entstehen kann, wenn gute Schauspieler und ein guter Regisseur zusammen kommen.
"
Außerdem habe ich damals geschrieben, dass "…die alles begehren" einer der schönsten Filme des Jahres ist. 1965, damals war ich 26 Jahre alt.

25.03.11   Meine Freundin in Kairo schickt mir einen Link zu einer Amnesty International-Seite, die berichtet, dass mehrere Demonstrantinnen vor kurzem vom ägyptischen Militär dazu gezwungen wurden, einen Jungfräulichkeits-Test über sich ergehen zu lassen (LINK).
Christian Lang, der mich 2005 überzeugt hat, meine Filme nicht mehr am Schneidetisch, sondern mit Final Cut am Computer zu schneiden, besucht mich. Er hat noch alle Daten des Interviews mit Hannelore Elsner und mir vom Dezember 2005. Ich überspiele sie auf eine meiner Festplatten. Und wir sprechen über die Lebensdauer von Festplatten. Klar ist, dass darüber niemand etwas Genaueres weiß. Wie kann man einen digital gedrehten Film für die "Ewigkeit" sichern? Wir kommen zu dem Ergebnis, dass nur eine analoge Filmkopie hundertprozentig sicher überleben kann.

Eine mir sehr am Herzen liegende Moana-Tagebuchleserin bittet mich inständigst keine politischen Texte mehr zu veröffentlichen, denn Zeitungen und Fernsehen seien voll davon. Also gut, hier etwas "Filmisches" von der Internetseite von "Blickpunktfilm", die ihre Leser auffordert abzustimmen, welcher Film die Lola in Gold in diesem Jahr kriegen sollte. Hier das Resultat:
"Welcher der nominierten Filme ist Ihr Favorit auf die Lola in Gold?
Almanya – Willkommen in Deutschland 26.4 %
Der ganz große Traum 11.1 %
Drei 16.7 %
Goethe 11.1 %
Vincent will meer 30.6 %
Wer wenn nicht wir 4.2 %"
Ich werde mich hüten, das zu kommentieren. Ich könnte allenfalls sagen, welcher der sechs Filme mir am wenigsten nicht gefallen hat. Einen Tip wage ich trotzdem: "Almanya – Willkommen in Deutschland".
26.03.11   Heute morgen treffen Nicoletta Drossa und ich drei potenzielle Crew-Mitglieder für "INS BLAUE".

Stefan Wolf, eventuell Regieassistent.

Roy Herzog, auch eventuell Regieassistent: mit einem männlichen Regieassistenten habe ich seit "DETEKTIVE" nicht mehr gearbeitet. Ich hatte immer Frauen für diesen Job. Daran müsste ich mich dann erst mal gewöhnen.

Anna Scholich, die vielleicht für die Kostüme zuständig wird, war bei "DAS ROTE ZIMMER" Assistentin der Kostümbildnerin.
Wir sprechen darüber, wie sich "mein Film" und "Nikes Film" unterscheiden könnten. Stefan Wolf macht den Vorschlag, keinen Unterschied zu machen und es dem Zuschauer zu überlassen, was "Film" ist und was "Realität". Nicoletta findet das toll. Und ich versinke darüber in tiefes Nachdenken. Aber ich bin nach diesen Gesprächen glücklich. Mit Anna Scholich reden wir auch über Schauspieler, vor allem über männliche Schauspieler. Ich frage Anna Scholich ganz direkt, kennst Du einen männlichen deutschen Schauspieler, den du richtig sexy findest. Auf Anhieb fällt ihr keiner ein.
27.03.11   Am Abend auf dem Bauernhof fallen weitere Entscheidungen zur Besetzung von "INS BLAUE" per email. Und danach gibt es einen schönen Sonnenuntergang über meinem Gartenteich.



Bis zum Mittag war es neblig. Dann kam die Sonne raus. Bis zum Drehbeginn von "INS BLAUE" ist noch ein halbes Jahr Zeit. Ich bin wild entschlossen, soviel Zeit wie möglich in diesem Jahr in meinem Garten zu verbringen.

Die ersten Osterglocken. Ganz kurz davor ihre Blüten zu öffnen.

Krokusse mit weit geöffneten Blüten. Wenn die Sonne weg ist, schließen sie ihre Blüten.

Fliederknospen.

Eine Walnussknospe. Wenn es nochmal sehr kalt wird, wie im letzten Jahr, erfriert sie.

Es ist heute total windstill. Deshalb ist das Spiegelbild des Schuppens gestochen scharf.
28.03.11   Ein Tag hier ist schöner als der andere. Ganz besonders gestern mit all den guten Nachrichten aus der Welt.



Die noch winzigen Knospen meiner Sternmagnolie.

In einem Monat wird sie so aussehen. Hoffentlich.
29.03.11  

30.03.11   Gestern abend:



Ich hatte Al Jazeera geguckt, und als ich die Nase voll davon hatte, sah ich durchs Fenster, dass die Sonne als Riesenball am Abendhimmel stand. Als ich mit Kamera draußen im Garten war, war es eigentlich fast zu spät. So wie beim Drehen des Sonnenuntergangs am Meer bei "DAS SICHTBARE UND DAS UNSICHTBARE".
Heute habe ich Stiefmütterchen und Primeln in die Blumenkästen im Hof gepflanz.



Die Magnolie im Innenhof, wo wir die letzte Szene von "PINK" gedreht haben, fängt bald an zu blühen.
31.03.11   In der Berliner Zeitung ist heute eine Besprechung des im Schüren-Verlag erschienenen Thomebuchs erschienen. Wer möchte, kann sich die Seite hier als pdf-Dokument herunterladen (Download-LINK).

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